Montag, 27. März 2006
Schön, dass Du meine Seite gefunden hast und nun weitere Informationen suchst. Vielleicht hast Du bereits erfahren, dass ich, Euer Kollege Christopher (Chris) Cormier, in Zukunft als Frau leben möchte. Den Namen Christopher werde ich ablegen und bin dann die Christine Cormier. Aber,du kannst mir immer wieder als einfach „Chris“ nennen.



Die Seite wurde von mir nach dem Frage-Antwort-Prinzip aufgebaut, das heißt, dass ich mir zu Anfang erst mal überlegt habe, was für Fragen könnten Menschen haben, die sich mit dem Thema Transsexualität in Ihrem bisherigen Leben noch nicht beschäftigt haben. Doch Ihr habt nun den Vorteil, dass jemand in Eurem näheren (Arbeits-)Umfeld diesen Schritt wagt. Und alle damit verbundenen (aber auch erwünschten!) Auswirkungen auf sich nimmt und Ihr daran teilnehmen werdet. Viele von Euch werden nur einmal die Gelegenheit haben, eine Anpassung dieser Art mitzuerleben. Und diese Erfahrung kann auch für Euch sehr positiv sein.

Nun fang ich mal an mit den Fragen, die ihr (vermutlich) so habt:

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Was bedeutet es eigentlich transsexuell zu sein?
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Transsexuell zu sein bedeutet, sich dem entgegensetztem Geschlecht angehörig zu fühlen. In meinem Fall ist es so, dass ich als Mann geboren wurde, mich jedoch auf der Gefühlsebene eher als Frau einordne.

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Und was ist der Unterschied zu Transvestiten?
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Diese Menschen mögen lediglich und auch nur zeitweise (am Wochenende z.B.) die Kleidung des anderen Geschlechts tragen, wollen aber ansonsten in der Geschlechterrolle bleiben, in die sie hineingeboren wurden. Ich erwähne das Thema zum besseren Verständnis. Aber vielleicht wusste der eine oder andere den Unterschied auch vorher schon - um so besser. Das Thema Transsexualität ist bereits seit Jahrhunderten bekannt. Bereits vor dem ersten Weltkrieg hat man herausgefunden, daß transsexuelle Menchen geistig völlig gesund sind. Leider erst, nachdem über Jahrhunderte Methoden wie Folter, Gefängnisstrafen oder sonstige Zwangsmaßnahmen ohne Erfolg geblieben waren....Bereits seit 1885!!! (seit 120 Jahren) gibt es Möglichkeiten der medinzinischen Korrektur, seit 1980 gibt es in Deutschland einen juristisch anerkannten Prozeß, dem ich nun auch unterliege.

Ein Teil dieser vom Gesetzgeber auferlegten Pflichten ist es, 1 Jahr durchgehend als Frau zu leben. Sowohl privat als auch beruflich. Diese Zeit heißt „Alltagserprobe“ oder „Probezeit“.

Die medizinische Behandlung hat seit einem Jahr begonnen. Vor vier Wochen habe ich beim Amtsgericht Pontiac (Michigan) die Änderung meines Namens erledigt. Diese "Probezeit" soll sicherstellen, daß die Entscheidung richtig ist. Der ganze Vorgang ist juristisch, psychologisch und medizinisch unbedenklich und wird (auch durch den Gesetzgeber) ermöglicht aber streng kontrolliert.

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Ist dieser Wunsch, Frau zu sein, angeboren?
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Nach dem letzten Stand der Wissenschaft, kann man diese Frage mit Ja beantworten. Das hängt mit den Hormonen zusammen, die ein Embryo ab der sechsten Schwangerschaftswoche erhält. Jedem von Euch, bei dem diese Hormonproduktion während der Schwangerschaft eindeutig war, kann ich an dieser Stelle einen Glückwunsch aussprechen. Da dass bei mir aber nicht der Fall gewesen ist, musste ich mir einen anderen Weg suchen, um damit leben zu können. Einen Weg, den ich nun gefunden habe.

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Seit wann fühlst Du Dich als Frau?
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Seit ich mich erinnern kann. Doch lange Jahre wurde das von mir verdrängt, "weil es ja nicht sein darf". So lernte ich schon als Kind, das zu verdrängen, was im weiteren Verlauf meines Lebens zu immer mehr Schwierigkeiten führte und mit großen Ängsten verbunden war.

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Und warum machst Du zum jetzigen Zeitpunkt diesen Rollenwechsel?
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Wie bereits gesagt, fühle ich mich bereits seit frühester Kindheit als Frau. Soweit zu kommen, dass ich es jetzt mein eigentliches Leben führen möchte, ist ein langer Prozess gewesen. Viele Jahre habe ich sehr darunter gelitten, was nichts anderes war als die Folge der ständigen Verdrängung meines Problems, was sogar zu Depressionen geführt hat. Denn ich dachte bis zum letzten Jahre immer, dass es nicht möglich sei für mich, mein Leben derartig zu verändern. Seit ich mir meiner Transsexualität bewusst bin, ich dazu stehen kann und ich mich den ersten Menschen (auch in unserer Firma) anvertraut habe, bin ich von einem unglaublichen inneren Druck befreit, der mich all die Jahre belastet hat. Ich denke, dass der Eine oder Andere bereits Veränderungen bei mir beobachten konnte. Zum Beispiel, Dass ich mir die Haare seit einige Jahre wachsen lasse.

Den Rollenwechsel den ich jetzt mache, hatte ich im Grunde für Ende April geplant. Nun habe ich mich dafür entschieden, den Termin nach vorne zu schieben. Es ist so, dass das Thema mich schon mein ganzes Leben beschäftigt und jeder weitere Tag, den ich warte, erscheint mir als ein verlorener Tag. Ich erwähne es deshalb, weil die Sache jetzt für den einen oder anderen relativ plötzlich kommt. Das kann ich verstehen und möchte an dieser Stelle noch mal betonen, dass ich nach wie vor der Mensch bin, als den ihr mich kennen gelernt habt. Ihr könnt Euch so mit mir unterhalten wie bisher auch. Und bitte tut das auch. Bitte redet MIT mir persönlich, nicht über mich.

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Warum machst Du diesen Schritt ?
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Ich würde wie bisher sehr unglücklich sein, wenn ich den Schritt nicht gehen würde. Es würde meine seelische aber auch körperliche Gesundheit sehr negativ beeinflußen. Und das so sehr, daß ich meiner Umwelt "den Mann" nicht mehr vorspielen kann. Würde ich alles wieder verdrängen, ginge alles wieder von vorne los... (siehe auch vorheriger Absatz). Glaub mir, keiner würde so etwas, was ich jetzt tue, freiwillig tun, wenn es nicht unbedingt notwendig wäre !

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Wieviele Menschen in Deutschland sind davon betroffen?
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Statistisch gesehen ist 1 Mensch von 10.000 transsexuell. Hochgerechnet auf 80 Mio. Einwohner sind das ca. 8.000 Menschen in Deutschland. Davon sind 5.000 Menschen wie ich, die seit der Geburt als Junge eingestuft waren. 3.000 Menschen sind seit der Geburt Frauen (Frau-zu-Mann Transsexuelle), die ihrerseits ihren Weg zum Mann gehen. Eine Dunkelziffer wird es auch hier geben, da viele diesen Schritt, den ich tue gar nicht erreichen.... Für die Betroffenen ist das sehr traurig. An den Zahlen könnt Ihr erkennen, wie einmalig es für Euch sein wird, so einen Menschen in Eurem Umfeld zu haben. Es liegt an jedem selbst, diese Chance im positiven Sinne zu nutzen, daraus zu lernen oder einfach nur dabei gewesen zu sein.

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Kann mein Umfeld davon profitieren?
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Ja. Sowohl mein Arbeitgeber, mein Chef, die KollegInnen und KundInnen werden mich besser gelaunt, ausgeglichener kennen lernen da ich nun nichts mehr zu verbergen habe. Da ich seit einiger Zeit bereits außerhalb der Firma als Frau lebe, bin ich bereits auch bei neuen Freunden als Christine bekannt. Manche von Euch haben bestimmt schon sie verbesserten persönlich Kontakte zu mir wahrgenommen. Und dass, ohne zu wissen das ich bereits diesen Weg gehe.

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Wie könnt ihr jetzt mit mir umgehen?
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Ihr könnt Euch einfach wie bisher mit mir über dieses und jenes unterhalten. Dann werdet Ihr nämlich sehr schnell herausfinden, dass ich mich nicht wesentlich verändert habe, sondern schon immer so gewesen bin und es sich im Wesentlichen nur um eine Anpassung meines äußeren Erscheinungsbildes an meine Seele handelt.

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Wie möchtest du in Zukunft angesprochen werden?
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Höflich vor allem und mit meinem weiblichen Namen Christine oder einfach Chris. Auch untereinander bitte nur über "Sie" oder "Ihr" sprechen, nicht über er oder ihn. Dieser Anstand wird nicht nur unter Kollegen erwartet, sondern ist auch aus juristischer Sicht als Bestandteil der Gesetze zum Thema Transsexualiät für Beamte, Behörden und sonstige Personen vorgeschrieben. Ein unbeabsichtigter "Ausrutscher" wird anfangs akzeptiert, aber stets korrigiert.

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Dürfen wir Bekannten und Kunden davon erzählen ?
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Wenn es nicht als Sensation verkauft wird oder zum absichtlichen Schaden gedacht ist, habe ich nichts dagegen. Denkt bitte unbedingt an die geschäftlichen Erfordenisse im Umgang mit unseren Kunden bzw. Lieferanten. Das finde ich sehr wichtig. Ein kleiner Tipp, wie z.B. ein Gespräch mit einem Kunden im Sinne unseres Unternehmens ablaufen kann: TCH MA: "Ich verbinde Sie mit Frau Cormier". Kunde: "Meinen Sie nicht Herrn Cormier?" TCH MA: "Nein, Sie ist jetzt Frau Cormier, aber das wird Sie Ihnen sicher selber erklären, falls Sie das wünschen." So einen Umgang mit dem Thema halte ich für angebracht, denn unseren Kunden/Lieferanten geht es hauptsächlich um geschäftliche Dinge. Eine sensationeller Bericht á la "Bild" ist hier unerwünscht.

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Was ändert sich für mich im Umgang mit Dir?
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Eigentlich nicht viel, abgesehen davon, dass Du mich nun als Dame behandeln darfst, worüber ich mich sehr freuen werde! Ansonsten bin ich Eure neue Arbeitskollegin, allerdings weiß ich auch, was die letzten Jahre so in der Firma passiert ist und was wie geht. Ein neuer Einarbeitungsplan ist also nicht nötig (bin quasi die erste neue Mitarbeiterin, die keinen benötigt).

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Inwieweit wirst Du Dich verändern?
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Abgesehen von der Anpassung ist es sehr gut möglich, dass ich jetzt ausgeglichener bin. In der einen oder anderen Situation werde ich vielleicht besser auf andere Menschen zugehen können. Aber auch körperliche Veränderungen sind schon eingeleitet durch Hormone, die ich seit einen Jahr bekomme. Die Epilation der (störenden) Barthaare läuft auch schon eine gewisse Zeit und wird noch weitergeführt.

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Was ist, wenn ich jetzt noch Fragen habe?
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Wer freundlich und nett fragt, bekommt von mir auch eine freundliche und nette Anwort. So einfach ist das.

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Was ist, wenn ich Dich jetzt noch mit falschem Namen anrede oder mir aus Versehen der alte Name rausrutscht?
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Das kann ich verstehen, wenn das passiert. Ich übe mich in Geduld, möchte das mit Humor nehmen und gehe davon aus, dass es dann unabsichtlich geschieht. Ich werde versuchen, es für Euch leichter zu machen, indem ich mich optisch (anfangs vielleicht etwas extremer) verändere. Das geschieht durch betont weibliche Kleidung, Frisur, etc. Zumindest im direkten Kontakt ist das eine große Hilfe. Wenn wir telefonieren ist es von Vorteil, das Display genau im Auge zu behalten, denn auch dort wird mein Vorname oder Frau Cormier angzeigt werden. Nach und nach wird sich jeder an Christine gewöhnt haben, und schon bald wird sich auch bei Euch wieder eine gewisse Sicherheit einstellen. Das geht schneller als ihr denkt.

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Im Moment fallen mir keine weiteren Fragen mehr ein, die für Euch wichtig sind, bin aber auch nicht der liebe Gott und somit nicht allwissend.

Falls ihr noch Fragen habt, könnt ihr gerne auf mich zukommen und wie schon erwähnt kann jeder von Euch auf eine freundlich gestellte Frage eine ebenso freundliche Antwort von mir erwarten, solange es keine allzu intimen Fragen sind, die ihr selber auch nicht so ohne weiteres beantworten würdet.

Es wäre schön, wenn sich alle, die mit mir beruflich oder persönlich zu tun haben, bis dahin mit dem Thema vertraut gemacht haben, und es würde mich sehr freuen, wenn ihr Christine mit Freundlichkeit empfangen und unterstützen könntet.

Vielen Dank, dass Ihr Euch die Zeit genommen habt.

Bis dahin

Christine Cormier

Darmstadt, im März 2006

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